Fünf Fragen an Karin Mecozzi – Frühlingsinterview vor einem Jahr

An was arbeitest du gerade?
Gerade stimme ich mich auf den Frühling ein, für Herboristen beginnt das eigentliche Jahr jetzt! Dazu räume ich mein Lager auf, mische Tees und Tinkturen, stelle z. B. eine Schnupfensalbe her (viele leiden ja unter Heuschnupfen). Ich plane viele Kurse und Workshops im Apennin (Marken, Italien) und anderen Regionen Italiens und arbeite an neuen Buchprojekten und an Naturbetrachtungen für künftige Publikationen. 

Wie kommt man eigentlich in unserer Zeit dazu, Herboristin zu werden?
Ich habe in den neunziger Jahren Herboristik studiert. Diesen Studienlehrgang gibt es auch heute an verschiedenen Universitäten, Fakultät für Pharmazie. Der Beruf des Herboristen ist in Italien seit 1932 rechtlich geschützt. Wir sind im Bereich der Heilpflanzen für das nötige Know-how zuständig, bzgl. Anbau, Wildsammlung, Verarbeitung, Verkauf, Kommunikation, Forschung, je nachdem, in welchem Fachbereich man sich spezialisiert. Zum “Handwerkskasten” des modernen Herboristen gehören auch (allerdings über private Schulungen) Gesundheitsprävention und -beratung sowie ein fundiertes Wissen über verschiedene Richtungen der Komplementärmedizin. Der beste “Campus” ist und bleibt jedoch die Natur, sprich Wald und Wiese … Die Anthroposophie und ihr wunderbarer Ansatz stehen mir dabei zur Seite.

a caccia di radici!
f. sara fiorelli

Was kann man deiner Meinung nach tun, um die Heilkräuter in freier Wildbahn zu schützen und damit zum Umweltschutz beizutragen?
In den verschiedenen europäischen Ländern gibt es gesetzliche Bestimmungen zur wildwachsenden Flora, ich lege jedem ans Herz, sich darüber zu informieren. Es gibt auch internationale “Best practices” in Bezug auf Wildsammlung. Generell sollte man nur für den Eigenbedarf sammeln und genau wissen, ob es eine artenreiche Gegend ist oder bestimmte Pflanzen geschützt sind. Förster, Biologen, auch Apotheker und Naturpädagogen helfen aufzuklären, wenn es in Ihrem Land keine Herboristen gibt. Ein kurzes Beispiel: wenn ich z. B. Tausendgüldenkraut sammle und auf eine Magerwiese komme, wo viele schöne purpurrote Exemplare wachsen (Erythrea centaurium, diese kleine Enzianart braucht bestimmte Gräserarten, um zu gedeihen – das finde ich überaus spannend), suche ich mir nur so viele aus, wie wirklich nötig. Bitte betreiben Sie niemals Raubbau, Wildkräuter sind empfindlich und verschwinden schneller als man merkt aus einer Landschaft.

Hast du einen Tipp für eine “Frühjahrskur” in diesem Jahr?
Die beste Frühjahrskur: Bewegung an der frischen Luft und tägliche “rhythmische Naturbetrachtung” (dazu finden Sie in Ars Herbaria inspirierende Texte). Des Weiteren reichlich bittere Pflanzen, als Gemüse oder Kräuter im Salat, in der Suppe oder im Tee. Essen Sie wenig tierisches Eiweiß, gleichen Sie Ihren Säurehaushalt aus und lassen Sie sich von einer Fachkraft einen individuell abgestimmten Frühjahrstee mischen. Es geht darum, Organe zu entlasten und “angeknackste” Lebenskräfte zu stärken. Wildes, Frisches, Sonne, reine gute Luft, helle Gedanken und Begeisterung, leckeres, leichtes Essen – so kommen wir gut in die warme Jahreszeit.

Primula vulgaris L.


Noch etwas Grundsätzliches zum Thema Frühling: Ab März regiert Mars, dieser Archetyp bringt uns in Schwung. Da muss man sich auch Kämpfen stellen, Initiative zeigen, in den Vordergrund treten. Dabei darf man sich auch einmal richtig ärgern, unsere Leber und Galle haben im Winter einiges angestaut. Wie Sie sich davon befreien? Schimpfen Sie doch auf Ihrem Waldspaziergang richtig laut, ich bin sicher, Sie fangen an, genau wie ich, hellauf zu lachen! Und, last but not least, nehmen Sie sich ein Beispiel an der Brennnessel – sie tut dem Herzen gut! 

Gibt es ein weiteres Buch-Projekt?
Es gibt sogar mehrere neue Buchprojekte, leider gehen sie langsamer voran als geplant. Ich wurde vor zwei Jahren Opfer starker Erdbeben* und muss mich mit meiner Familie noch neu sortieren. Im Moment arbeite ich, auch autobiografisch, an Texten und Rezepten, die sich mit einer belebenden und gesundheitsspendenden “grünen Resilienz” befassen. Es wird wieder um Heilpflanzen und Landschaft, um praktische Rezepte und Rhythmenpflege gehen. Lassen Sie sich überraschen! 

[*Erdbeben in Mittelitalien (Marken, Umbrien, Latium, Abruzzen), bis zu 6,5 Grad auf der Richterskala. Seit August 2016 leben Zehntausende in provisorischen Unterkünften, noch wurde mit einem Wiederaufbau nicht begonnen.] 

Vielen Dank!
(Die Fragen stellte Anna S. Fischer)